Deal with it.
Möglichst mit Freude!

22. Oktober 2025
Anna-Maria Stiefmüller, Barbara Lampl

Kollege KI ist gekommen um zu bleiben. Und mit ihm eintausend und eine Frage. Einige davon stellte das Branchenmagazin der Fachgruppe Werbung Tirol. Hier lesen Sie das rund 30-minütige Gespräch in voller Länge. Wenn Sie lieber zuschauen oder hinhören: Scrollen Sie etwas nach unten, wo wir Ihnen die Videoaufzeichnung hinterlegt haben.

ChatGPT, Gemini oder doch lieber Claude – wer darf dich vorstellen?

Oh Gott, ich habe irgendwann mal angefangen, mich überall durchlaufen zu lassen, aber ich kann dir gar nicht mehr sagen, was davon sinnvoll war. Komm, nehmen wir ChatGPT, damit wir den Rest nicht gleich verwirren.

Wir packen dann alle Links mit rein, sodass man selbst nachlesen kann, was die KI über Barbara Lampl sagt.

Hinweis der Redaktion:
Das sagt Claude über Barbara Lampl
ChatGPT spuck diese Bio aus:
Und so schreibt Gemini über Barbara.

Für alle, die dich nicht kennen: Stell dich doch einmal selbst vor.

Barbara Lampl. Ich habe letztes Jahr einen professionellen Spitznamen bekommen, der allen Ernstes „AI-Babsi“ lautet. Das weiß inzwischen auch jede KI. Ich mache seit 20 Jahren nichts anderes, als Daten- und KI-Strategien zu entwickeln, und habe jede Iteration mitgemacht, die wir vom klassischen Machine Learning bis heute zu den LLMs kennen. Ich habe mich früh auf Daten menschlichen Ursprungs und damit auch immer mehr auf unstrukturierte Daten spezialisiert und helfe so allem und jedem dabei, mit dieser neuen Welt klarzukommen.

Viele von uns Kreativen, aber auch unsere Kunden schwanken derzeit zwischen Faszination und Verunsicherung. Die Vergleiche mit der industriellen Revolution fallen immer wieder. Was ist deine persönliche Einschätzung? Wo stehen wir denn wirklich? Was erwartet uns in naher Zukunft? Oder müssen wir unsere Mistgabeln hervorholen und gen Silicon Valley marschieren?

So eine Mistgabel zur frühen Stunde kann nie schaden. Ob wir jetzt unbedingt gegen Silicon Valley marschieren müssen, ist vielleicht noch die Frage. Ich kann das Gefühl nachvollziehen, denn ganz ehrlich: Selbst mir geht es als Profi ab und zu so, dass ich mir denke, was ist jetzt hier wieder passiert? Und welche Auswirkungen hat das alles wirklich?
Grundsätzlich sind wir Teil einer Revolution. Ich würde das als eine Art Demokratisierung einer Technologie zusammenfassen. Was die meisten unterschätzen: Wir haben 80 Jahre KI in allen Iterationen, aber wir hatten sie noch nie in einem solchen Maße zugänglich. Dadurch, dass die LLMs und die Gen-AIs so verfügbar sind, können wir wirklich eine Demokratisierung erleben – weg von der „Wir-sind-nur-Konsumenten“-Welt hin zu „Wir-sind-auch-Produzenten“.

Aber natürlich – und da fangen die Schwierigkeiten an – kann nicht jeder gleich gut produzieren. Muss ich jetzt unbedingt gegen Silicon Valley mit der Mistgabel marschieren? Da würden mir noch ein paar Stationen vorher auf dem langen Weg über den Atlantik einfallen.

Anders gefragt: Muss die Kreativbranche Angst haben oder verschieben sich einfach nur die Job-Beschreibungen und Aufgabenfelder? Das ist ja immer wieder unser Mantra, mit dem wir uns selbst beruhigen: „Die Jobs bleiben, aber sie werden anders.“ Wie siehst du das?

Bis zu einem gewissen Punkt werden die Jobs sicherlich anders, aber KI ist gekommen, um zu bleiben. Und das kann je nach Job durchaus drastischere Auswirkungen haben. Je nach Kreativität und je nach den Aufgaben, die man hat, kann das sehr dramatische Folgen haben.
Keine Maschine kann den Menschen per se ersetzen. Aber je nachdem, womit man in den letzten Jahren seine Brötchen verdient hat, kann das schon relativ dramatische Auswirkungen haben. Ich glaube, da sollten wir uns nicht zu viel schönreden. Grundsätzlich ist es viel stärker eine Veränderung als ein „Es nimmt Jobs weg“. Aber es ist auch eine sehr drastische Veränderung. Das darf man nicht unterschätzen.

Viele vergleichen es oft mit dem Aufkommen des Internets oder von Photoshop. Ist das ein guter Vergleich oder greift das zu kurz?

Das greift noch viel zu kurz. Das war das, was ich anfangs meinte: Wir sind in ein Zeitalter eingetreten, in dem AI in eine Demokratisierungsphase gekommen ist. Was früher die Nerds hinter verschlossenen Türen im Keller gebaut haben, steht heute jedem zur Verfügung.

Das Internet hat vieles beschleunigt und Informationszugänglichkeit geschaffen, aber es hat nicht die nächste Welle gebracht, die dann mit Social Media kam. Ich bin zwar kein ganz kleiner LinkedIn-Account, aber ich würde mich selbst nicht zur Creator-Industrie zählen. Und das sind wir heute mit diesem Tool alle irgendwie – vorausgesetzt, ich schaffe diesen Wechsel von der Konsumentin zur Produzentin.
Deswegen greifen Internet und insbesondere Photoshop zu kurz. Es ist nicht völlig falsch, aber es fehlen Aspekte davon, wie drastisch der Wandel wirklich ist.

Du hast von der Demokratisierung gesprochen. Da zielt meine nächste Frage ab: Wenn GenAI zum großen Gleichmacher wird und AI-Parity zum Standard wird – wo liegt dann unser Wettbewerbsvorteil der einzelnen Agentur, des einzelnen Kreativen? Ist es Datenzugang? Ist es die Community? Ist es doch etwas Originäres, die ästhetische Handschrift?

Ich würde schon sagen, dass nur weil alle das Gleiche haben – da können wir beim Photoshop-Tool bleiben – alle hatten den gleichen Photoshop-Zugang. Trotzdem hat sich eine sehr deutliche Handschrift herausgebildet. Jeder könnte sich den gleichen Assistenten zulegen und würde trotzdem nicht gleich arbeiten.

Nur weil wir ein anderes Werkzeug in den Händen haben, ist es der Mensch, der das Ganze vorantreibt. Das wird oft unterschätzt. Die große Gefahr von Gen AI ist, dass man zu viel an die Maschine abgibt, anstatt zu sagen: „Okay, wo hilft es mir wirklich und wie behalte ich meine Handschrift bei meinen ästhetischen und sprachlichen Varianten bei?“
Für 08/15-Arbeit bleibt es natürlich 08/15. Aber wer besondere Stärken hat, kann sie damit definitiv stärker nutzen. Man muss allerdings – und das ist für viele die größte Herausforderung – Arbeitsabläufe und ganze Workflows komplett neu denken, um die eigene Note, die eigene Handschrift, die Empathie und die Kreativität in einem anderen Rahmen sauber zum Einsatz zu bringen.

Bleiben wir kurz beim Thema. Es gibt Studien, die zeigen, dass KI-generierte Ideen, Sujets und Texte vielleicht zuerst kreativer wirken, aber letztendlich sind sie sich in der Summe ähnlicher. Also die Vielfalt sinkt. Braucht man Anti-Konvergenz-Taktiken, um die Vielfalt im kreativen Output zu sichern?

Definitiv! Das ist die Frage, wie ich mit einem Tool umgehe. Gehe ich aus einer Expertenposition an diese Tools heran und habe nicht nur die Skills aus meinem bisherigen Job, sondern verbinde sie auch mit einem neuen Gefüge?

Das wäre zum Beispiel, wenn es um Text geht, mit einer erhöhten Lexikalität im Prompt zu arbeiten, um dieser Normierung auszuweichen. Aber dafür muss ich dieses Skillset haben. Diese Hintergrundinformationen muss ich irgendwo haben, muss sie einfügen und muss meine Arbeit in der gemeinsamen Arbeit komplett neu denken. Ich darf mich nicht davon ablenken lassen zu denken „Das klingt jetzt kreativer“ und dann vielleicht doch bieder zu werden.

Kundenseitig wäre durchaus die Verlockung nachvollziehbar, das gesamte Marketing intern oder extern Richtung KI zu verlagern und sich aufwendige und monetär teure Prozesse – von einem Fotoshooting über die Entwicklung von Corporate Language bis zur Logo-Entwicklung – auch Richtung Gen AI zu verlagern. Ist das eine gute Idee für alle?

Sicherlich nicht. Klar kann man das machen, aber es macht manchmal wenig Sinn. Das ist dieses Denken in Extremen nach dem Motto: „Jetzt haben wir einen Hammer, jetzt schlagen wir damit auch noch die Schraube in die Wand.“ Das ist natürlich Unsinn.

Natürlich können ganze Marketing-Abteilungen anders aufgestellt werden, mit einem anderen Fokus. Aber mir geht in der Diskussion oft Produktivität vor Qualität, und dann leidet die Qualität.

Manche Agentur und Marketing-Abteilung muss sich vielleicht schon fragen, ob sie nicht ersetzt werden kann, weil sie in den letzten Jahren gar nicht mehr auf dem Niveau gespielt hat. Das ist die schwierige Komponente. Wer seinen Job kann, wer seine Kreativität lebt, wer all das macht, was dazugehört, der muss sich keine Sorgen machen. Wer sich in den letzten Jahren ausgeruht hat, der muss jetzt anders herangehen, weil er stärker unter Druck steht.
Aber diese Idee, dass alles jetzt – und das insbesondere gerade jetzt und nicht erst in ein paar Jahren – von der Maschine übernommen werden kann, ist illusorisch.

Das Tempo der Entwicklung ist atemberaubend, selbst wenn man zu den First Movern gehört. Das Gefühl, jeden Tag kommt ein neues Tool auf den Markt. Ende August war da die Nano Banana. Kaum hat man sich an ein Modell gewöhnt, überholt schon das nächste. Wie behält man da den Überblick und vor allem die Nerven als Kreative?

Erstmal: sich nicht von der Tool-Schlacht ablenken lassen. Nano Banana – wenn man dem Markt genug folgt, dann war die Nano Banana (alias Gemini 2.5 Flash Bildgenerierungsmodell) bereits drei bis vier Wochen im Test. Das war eher ein „Wann wird sie denn jetzt in die Gemini-Tools released?“
Wer glaubt, dass man mit dem neuesten Modell sofort etwas erreichen kann und es gleich morgen anwenden muss, der hat nicht ganz verstanden, was wirklich gebraucht wird. Ich brauche eine saubere Grundlage, ich muss das Ganze evaluieren. Und das muss ich sicherlich nicht am Release-Date machen, sondern dafür habe ich auch noch eine Woche später Zeit. Ich muss eher eine Kompetenz aufbauen: Macht das Sinn? Muss ich mich damit beschäftigen? Hat das überhaupt etwas mit mir zu tun oder ist es eine Marketing-Kampagne?

Das heißt, wir sollten unseren Fokus sowohl kreativ als auch kundenseitig eher auf das Etablieren einer Baseline, einer Basisbildung legen, anstatt uns immer auf das neueste Tool zu stürzen?

Ja, diese Tool-Schlacht führt nirgendwohin, denn übermorgen kommt das nächste Tool. Natürlich werden die Tools besser. Wenn man zwei Schritte zurückgeht und sich anschaut, was in einem Quartal oder einem halben Jahr passiert ist, dann sind diese Durchbrüche schon drastisch.
Aber wir sind bereits in einem Stadium, in dem wir von einer ausgereiften Technologie sprechen können. Sie hat ihre Fehler – ausgereifte Technologie heißt nie, dass sie fehlerfrei ist. Gen AI ist eine wandelnde Wahrscheinlichkeitsrechnung. Aber sie ist bereits sehr gut. Alles, was wir auf dem Markt haben, ist schon verdammt gut.

Bei Nano Banana merkt man: „Die Build-Edit-Funktion ist jetzt massiv besser.“ Das ist ein cooles Tool. Aber ich muss verstanden haben, dass ich in Gemini, was in GPT-4.0 Bildmodellen wahnsinnig gut mit einem JSON-Format funktioniert, immer noch nicht funktioniert und dass ich Bilder in einem Markdown-Format prompten muss. Das hat sich übrigens nicht geändert.

Das ist das, was ich wissen müsste: Welche Formate brauche ich? Hat sich an der Grundlage etwas geändert? Wenn sich etwas an der Grundlage geändert hat, dann kann das eine große Anpassung bedeuten. Aber grundsätzlich ist diese Tool-Schlacht das Schlimmste, was man sich antun kann, weil man sich damit nicht auf das konzentriert, was man eigentlich tun müsste.

Du hast so schön „die wandelnde Wahrscheinlichkeitsrechnung auf zwei Beinen“ gesagt. Gleichzeitig sind diese Systeme mit Daten gefüttert, also mit menschlicher Kreativität. Reproduziert sich schlechte Qualität dann immer wieder selbst? Sind wir irgendwann in einer Kreativitätsschleife gefangen, wo man einen Evolutionssprung menschlicher Kreativität braucht, um da wieder rauszukommen? Oder wird die Maschine irgendwann selbstständig völlig Neues generieren?

Wohin wir laufen, wissen wir alle noch nicht genau. Das hat mehrere Bedingungen. Wir sehen definitiv – da hat sich ein Begriff etabliert: „AI-Slob“. Damit sind die schlecht gemachten AI-generierten Sachen gemeint – von schlechten Bildern über schlechte Texte mit gruseligen Emojis, wo man denkt: „Das nervt alle.“

Die Frage ist: Werden diese Daten in der nächsten Trainingsrunde wirklich verwendet? Jeder Data Scientist weiß, welchen Kampf wir für saubere Datenqualität führen. Wer sein Modell zerstören will, würde das natürlich tun. Daran hat aber niemand Interesse.

Der neueste Release – nicht von GPT-5, sondern von Open Source Modellen – basiert definitiv stärker auf synthetischen Daten und performt sehr gut. Das ist nicht das Problem. Datenqualität ist aus Data Science-Perspektive nicht zu unterschätzen.

In Zusammenarbeit mit Menschen können auch Kreativitätssprünge passieren. Das macht die Maschine nicht alleine, aber in der Zusammenarbeit schaffen wir das. Auch da geht die Evolution konstant weiter. Wir sind in einer großen Revolution gelandet, die sich aber jetzt wie eine Evolution fortbewegt. Da werden wir sicherlich spannende Dinge sehen.

Wenn alle Foundation Labs auf die Idee kämen, den ganzen Slob einzuarbeiten, dann würden wir degenerative Modelle sehen und das würde in die falsche Richtung gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Kollegen auf solche Ideen kommen würden.

Diese Revolution ist von Bürokratie begleitet, besonders in der EU. Der EU-AI-Act verlangt saubere Dokumentation, Prompt-Logs etc. Wie gelingt Compliance-by-Design, ohne sich einem überbordenden Mehraufwand zu widmen, was für kleinere Kreativagenturen eine Herausforderung sein könnte?

Kleine Unternehmen kommen mit einer internen KI-Richtlinie weit und sind damit sehr solide unterwegs. Das heißt: Wer hat Zugänge? Welche Daten werden verwendet? Die grundsätzlich gesetzlichen Grundlagen werden eingehalten. Da sich diese hauptsächlich über Tools oder Schnittstellen bewegen, sind wir nicht in großen Risikokategorien.
Alle Mitarbeitenden brauchen die notwendige Kompetenz. Und ja, es muss etwas dokumentiert werden. Aber das ist nicht mehr als die Dokumentation, die ich eigentlich brauche, um meine Arbeits- und Workflows im Zweifelsfall zu reproduzieren. Das ist relativ überschaubar.
Für kleine Unternehmen reicht eine überschaubare KI-Richtlinie aus. Da bewegen wir uns nicht in Risikosystemen. Der EU-AI-Act ist bei aller Nervigkeit relativ schlank in seinen Auswirkungen geblieben. Die kleine interne KI-Richtlinie hat vielleicht acht Seiten und enthält eventuell noch eine Sonderklausel für spezielle Anforderungen. Aber das ist überschaubar und gut zu stemmen.

Große Unternehmen, die mit anderen Algorithmen oder Ensemble-Modellen arbeiten, stehen vor ganz anderen Herausforderungen. Aber das kleine Unternehmen unter 10, 15 Mitarbeitern oder die Kreativagentur in dem Bereich können entspannt sein. Denkt in KI-Richtlinie und nicht in EU-AI-Act.

Kurz zum Pricing: Siehst du time-based versus value-based als zukünftiges Thema? Wir hören von Kunden: „Das macht eh die KI, jetzt muss es doch billiger sein.“ Wie argumentiert man da oder braucht man ganz neue Strukturen?

Wenn Kunden mit „jetzt ist doch KI da und jetzt wird es billiger“ kommen, dann muss man zwei Schritte zurückgehen und fragen: „Habe ich denn früher jemals meinen Wert kommuniziert oder habe ich einfach nur nach Stunden abgerechnet?“

Komme ich aus einer Welt, die nur in Stunden und Worten abgerechnet hat, dann habe ich jetzt eine Argumentationsschwierigkeit und muss aufarbeiten: „Worin liegt eigentlich mein Wert? Welches Resultat liefere ich für den Kunden?“

Wenn das nie klar war, dann muss ich jetzt nicht gemachte Hausaufgaben nachholen – und zwar mit mehr Nachdruck, als ich das früher machen musste. Es geht nicht immer darum, ob ich Value-Pricing machen muss. Es geht primär um Value-Kommunikation. Dann kann man schauen, wie man das preist – das können immer noch Stunden oder Retainer sein.
Eventuell wird etwas schneller erstellt, aber es muss härter im Qualitätsmanagement sein. Oder man muss separate Aspekte abgreifen: „Dann erstellen wir eine Corporate Identity, die KI-mäßig verankert wird.“ Das muss gepreist werden, weil man jetzt in eine explizite Briefingsituation mit der Maschine kommt und nicht mehr in eine implizite Briefingsituation aus dem Kopf heraus.

Man muss einen Schritt zurückgehen und die Arbeitsschritte betrachten. Die Wertkommunikation – wenn ich die in den letzten Jahren nicht geliefert habe, muss ich jetzt spätestens nachziehen, ansonsten wird es ungemütlich, weil der Kunde nur hört: „Dann ist die KI halt billiger und schneller.“

Wenn sich unsere Arbeit Richtung Orchestrierung von Mensch-Maschine-Teams bewegt – was bedeutet das für die Ausbildung junger Menschen und für uns ältere Hasen im Geschäft? Müssen wir uns neue Bildungswege suchen? Müssen wir uns mehr Richtung Data Science orientieren?

Wir alten Hasen bringen verdammt viel Berufserfahrung mit, wir bringen die Kreativität, die Nuancierungen und das Expertenwissen mit, das die Maschinen nicht haben.

Das ist gemein, denn die Maschinen sind auf einem Niveau, bei dem sich Berufseinsteiger schwertun, überhaupt zu liefern. Das ist leider so. Das ist gemein und unfair, aber so gut sind sie dummerweise schon.
Das heißt aber nicht, dass wir die Berufseinsteiger links liegen lassen können, denn die Maschine kommt alleine auch nicht weiter. Wir müssen unseren Berufseinsteigern eine Tür öffnen, und das erfordert ein anderes Skillset als klassisch üblich.

Ich sage immer meinen Kunden: Die brauchen schon eine Expertise, was auch immer sie mitbringen – ob Text, Code oder anderes -, das muss ich ihnen beibringen. Aber das größere Kunststück ist, dass ich den Leuten eine unglaubliche Neugierde beibringen muss, tausend Fragen stellen muss. Und wir sitzen alle im gleichen Boot: Die Lernzyklen haben sich massiv verändert.

Das ist egal, ob alter Hase oder junge Azubine. Die Geschwindigkeit, in der wir unsere Fähigkeiten weiterentwickeln und adaptieren müssen, ist unglaublich schnell geworden.

Wir müssen jetzt nicht unbedingt Data Science oder Mathematik studieren, wobei ich mich freuen würde. Nicht jeder muss alle Grundlagen kennen, aber bestimmte Grundlagen sind notwendig, weil ich ansonsten dem nächsten Tool hinterherhechelе. Das Bedenklichste ist: Ich gebe die falsche Aufgabe in die Maschine
.
Die Maschine, die mir den ersten Draft schreibt, ist nicht die Maschine, die mir den Artikel glättet – da sind verschiedene Schritte drin. Dieses Skillset muss ich mitgeben und weiterentwickeln. Das gilt für alle. Gleichzeitig muss ich eine nächste Generation ausbilden, die in diesem Zusammenspiel die Maschinen zu dem bringt, was sie können – sie funktionieren im Zusammenspiel, nicht alleine.

Du warst kürzlich in San Francisco. Wie anders tickt dort die Werbewelt?

San Francisco ist gepflastert mit „Alles ist AI“. Man versucht verzweifelt, eine Werbung zu finden, die keine AI enthält. Ich war erfolglos. Der Spirit ist insbesondere in San Francisco ein anderer. Da sitzen die Foundation Labs, da wird gebaut, was wir benutzen. Das ist ein anderer Antrieb. Es ist eine ganz andere Adaptionsrate als in gesamt Europa.

Auch die Kreativszene tickt ganz anders. Da wird mit Stolz berichtet, dass der Film, der früher acht Tage Produktion kostete, jetzt 36 Minuten kostet. Der Fokus ist ein anderer. Es wird darauf hingewiesen, wie toll das ist. Klar stecken viele Iterationen im Hintergrund. Aber die Ergebnisse dieser Spots sind exzellent. Die Kommunikation ist anders.
Der Fortschritt und die Möglichkeiten werden gefeiert. Das sieht man auch im öffentlichen Verkehr – das sind vollständig selbstfahrende Autos, die ganz anders aufgesetzt sind.

Natürlich gibt es auch dort die gleichen Diskussionen wie bei uns: Wie setzen wir das um? Was bedeutet das? Wen stellen wir künftig ein? Wie sieht das für die Werbewelt, Agenturen und die gesamte Werbeindustrie aus? Wie wichtig ist Brand? Wie sehr ist noch Growth wichtig? Das beschäftigt alle.

Aber der Blick ist ein anderer. Es ist nicht „Ich fürchte mich“ und es wird weniger kritisiert. Das ist der größte Unterschied, was zu einem spielerischeren Umgang führt: „Wir nehmen etwas mehr Risiko in Kauf, wir treiben das voran.“ Das macht den Unterschied aus, dass diese Technologie auch umgesetzt wird und nicht nur in diesem Rückhalt von „Ja, hätte ich gerne, aber alles nimmt mir meinen Job weg“ verbleibt. Das ist sicherlich ein typisch europäisches, deutschsprachiges Problem.

Sind wir in der EU die abgehängte Nussschale auf einem Meer wilder KI-Entwicklungen?

Ich würde nicht sagen, dass wir die abgehängte Nussschale sind. Auch die kochen nur mit Wasser. Aber wir hängen uns selbst ab. Ob ich OpenAI in den USA über die Schnittstelle abrufe oder Claude irgendwo in Tirol – das macht keinen Unterschied. Der Zugang ist derselbe.

Wie ich das Ganze angehe, mit welchem Interesse, mit welchem Antrieb, mit welcher Geschwindigkeit – das macht einen Unterschied. Wir sind nicht abgehängt, aber wir hängen uns selbst ab, weil wir uns oft in Diskussionen festbeißen, die nicht unbedingt die sinnvollsten sind. Und wir experimentieren weniger, haben weniger Freude daran, uns auch mal zu amüsieren über das, was das System von sich gibt. Und das als Lernen und Experimentieren zu sehen, anstatt „Das kann ja eh alles nichts.“

Du plädierst also für ein Abschütteln der Existenzängste hin zu mehr Tech-Positivität?

Definitiv. Es ist gekommen, um zu bleiben. Wenn ich in den Existenzängsten verharre, wird sich nichts ändern. Und was ist das Schlimmste, was passieren kann?

Ich schüttle meine Existenzängste ab und gehe tech-positiv durch die Welt. Dann passieren drei Szenarien: Erstens, die Technologie überdelivert – dann war ich dabei und habe profitiert. Zweitens, die Technologie liefert wie erwartet – dann habe ich gewonnen. Und drittens, die Technologie unterdelivert – dann habe ich immer noch gewonnen, weil ich meinen Job trotzdem gemacht habe und es ausgleichen kann. Ich verliere also heute nichts. Während wenn ich es andersherum angehe – außer die Technologie underdelivert, wo ich gerade noch eine Chance habe, mich zu positionieren – gewinne ich mit keinem Szenario. Das ist das, was ich nicht verstehe. Die Nicht-Adaption und das Nicht-Nutzen wird mir schaden. Das Nutzen, das Ausprobieren und im Zweifelsfall das Feststellen „Für meinen Job reicht es noch nicht ganz aus“, aber dann habe ich weiter experimentiert – vielleicht hilft es mir woanders. Da gewinne ich nur.

Wie du sagtest, die Systeme sind da und gehen nicht wieder weg…

Ja. Deal with it und das möglichst mit Freude. Wie oft haben wir früher im Hintergrund Data-on-AI-Systeme aufgestellt, die zwar cool waren, aber die, die sie eigentlich unterstützen sollten, hatten trotzdem nicht die Hilfe – außer dass wir angeschrieben wurden, wenn um drei Uhr morgens etwas abstürzte.

Jetzt ist sie da. Jetzt ist sie an unseren Fingerspitzen. Und natürlich muss ich sie sinnvoll und richtig nutzen. Das ist genau der Grund, warum der Mensch so relevant ist. Weil das reine Nutzen nicht funktioniert. Dann kommt Einheitsbrei heraus, den keiner haben wollte.

Mit welchem Mythos über KI oder Gen-AI würdest du am liebsten aufräumen?

Den „AI nimmt alle unsere Jobs weg“ haben wir schon gut erschlagen. Es gibt einen zweiten, der rein fachlich bedingt ist: Die Leute haben keine Ahnung, wie das System funktioniert, und kommen auf die Idee, dass AI funktioniert wie der Mensch. Das führt zu Mythos drei, weil ich dann die Technologie überhöhe und sie nicht richtig nutzen kann.
Wenn der Mythos lautet „AI versteht mich ja wie ein Mensch“ – nein, das ist Tokenisierung, Vektorisierung, Embeddings, Transformer und hartes Deep Learning. Das hat nichts damit zu tun, wie der Mensch funktioniert, aber auch wirklich gar nichts. Das sind unglaubliche Möglichkeiten, aber sie führen zu Limitierungen.
Das ist immer der schwierige Punkt, das in Balance zu bekommen: Es nimmt dir nicht den Job weg. Das heißt aber nicht, dass du dich nicht damit beschäftigen musst.

Zum Schluss bitte noch fünf kurze Antworten auf fünf kurze Fragen: 



Gen AI ist…
Eine Durchbruchtechnologie, die jeden dazu in die Lage versetzt, produzierend zu sein, anstatt nur zu konsumieren.

Das beste Tool für Werber…
Wenn es nur eines gibt, dann Claude für Text.

Keine KI ohne…
Menschenhirn.

Mein Lieblings-Prompt ist…
Ich bin ein unsortierter Mensch. Hier kommen meine unsortierten Gedanken per Sprachnachricht. Bringt doch Ordnung rein.

ChatGPT und Co. können viel. Außer…
Praxis. Der hat einen PhD in Thermodynamik und läuft trotzdem in die Pfütze.

Was bedeutet das?
Dass diese Systeme ohne Kontext und ohne Weltmodell agieren. Das heißt, er kann zwar den Wasserstand in der Pfütze berechnen, aber weiß nicht, dass er nicht mit dem Gesicht hineinfallen sollte, wenn er sich materialisieren würde, weil er dann ertrinkt.

Hast du noch eine Botschaft für die Tiroler Kreativen und ihre Kunden? Was ist deine Empfehlung für die kommenden Monate und Jahre?

Wer noch nicht angefangen hat, soll anfangen. Wer schon mittendrin ist, soll an seinen Skills arbeiten und um Gottes willen: Community und Austausch. Niemand ist auf dieser Reise alleine. Es macht viel mehr Spaß, die Erfolge zu teilen, aber auch die Misserfolge zu teilen.

Übrigens: Bildgenerierungsmodelle können nicht bis sieben zählen, haben wir herausgefunden. Ich habe 45 Minuten meines Lebens verschwendet, um alle Bildgenerierungstools dazu zu bekommen, sieben Dinge aufzulisten und zu visualisieren, und wir sind alle kläglich gescheitert. Sechs funktioniert, sieben nicht.

Solche Sachen muss man herausfinden. So etwas muss man erst erarbeiten und dann schauen: „Kann das Tool es jetzt?“ Das ist das, was im Community-Aspekt liegt. Es ist immer noch Mensch plus AI. Es ist nicht andersherum. Und Menschen leben in Community, tauschen sich aus, und dann habe ich Best Practices, dann habe ich coolen Fortschritt, und dann habe ich auch Spaß daran – anstatt nur ein theoretisches Konstrukt zu haben.

In diesem Sinne: Mit viel Frohsinn herzlich willkommen im Übermorgen. Danke dir für deine Zeit!

Sehr, sehr gerne.

 


Das Interview wurde mit zoom.com als Video aufgezeichnet und von read.ai transkribiert. Claude Sonnet 4 hat die „ähms“ und ähnliches entfernt und das gesprochene Wort in Geschriebenes verwandelt. veed.io hat die Untertitel im Video erstellt. Ein CustomGPT auf – basierend auf GPT 4.0 – durfte Korrekturlesen, beim Sortieren der Gedanken für den Magazinartikel half NotebookLM. Die gänzlich menschlichen Gedanken von Anna-Maria Stiefmüller zum Thema lesen Sie im Magazinartikel – hier können Sie die Sonderbeilage zur Tiroler Wirtschaft vom Oktober 2025 als PDF downloaden und lesen.