»Grün gewaschen«
verkauft sich besser.

17. Juni 2021KreativitätVerantwortung
von Goran Golik

Wie weit sollen und dürfen wir Kreative gehen, um die Wünsche unserer Auftraggeber erfüllen, ohne sie ernsthaft zu hinterfragen?

Machen wir uns zu „Mittätern“, wenn wir bewusst oder unbewusst die Halbwahrheiten inszenieren und kommunizieren?

Klar, wir können die roten Linien und unsere Grenzen, wie weit wir gehen würden, selbst definieren und theoretisch zwingt uns niemand, unser Wissen und unsere Kreativität in Dienste von so manchen Burgerketten, Textilgiganten, Onlineplattformen und dergleichen zu stellen. Es ist anscheinend einfacher oder zumindest lukrativer, sich am grünen, weißen, blauen oder bunten Washing zu beteiligen. Immer wieder die marginalen Teilaspekte und Vorteile einer Marke oder eines Unternehmens zu inszenieren und die wesentlichen Nebenwirkungen und Nachteile für die Natur und Gesellschaft nicht zu erwähnen – das war ja nicht ein Teil des Briefings. In der Werbung geht es schließlich um die Inszenierung, um eine „Scheinwelt“, um Image – und nicht zwangsläufig um Fakten. Der Claim „Truth Well Told“ klingt somit bei vielen Unternehmen oder Marken verlogener denn je.

Drehen wir einmal die Spielregeln um und stellen wir uns vor, welche Auswirkungen es auf Wirtschaft, Umwelt und die Gesellschaft haben würde, wenn die großen globalen Agenturnetzwerke mit all ihren internationalen Dependancen und Unternehmen beschließen würden, ausschließlich für Kunden zu arbeiten, die Sustainable Development Goals nicht nur ernst nehmen, sondern sich ihrer Verantwortung bewusst wären und entsprechend handeln würden. Welchen Signalwirkungen hätte diese Ausrichtung für die Bedeutung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Wandels – und welche Motivation wäre es für hunderttausende Kreative weltweit, Werbung für etwas zu machen, an das sie selbst glauben, was sie selbst konsumieren würden und was sie selbst befürworten können? Könnte das ein Schub sein, könnte das den positiven Druck auslösen, um den Wandel in der Wirtschaft zu beschleunigen? Oder würden sich andere Agenturen rasch formieren, die nach dem Prinzip „Take the money and run“ den Markt übernehmen und den Status quo damit erhalten? Und auch wenn sich viele (globale) Agenturnetzwerke mit Nachhaltigkeitsinitiativen auf ihren Webseiten schmücken: Mit ihren Strategien und Kampagnen für die nicht ganz so Guten polieren sie deren Oberflächen und lenken von deren schmutziger Unterwäsche ab und unterstützen somit das das faule System.

Ich bin kein Werbehasser und ich habe in meiner Vergangenheit so einiges an Werbeschrott glänzend verpackt. Und gerade, weil ich mein Job als Kreativer liebe, bin ich umso mehr davon überzeugt, dass gute und kreative Werbung für wirklich gute Produkte und verantwortungsvolle Unternehmen und Organisationen einen positiven Einfluss auf unser Leben, unsere Gesellschaft und unsere Umwelt haben kann und hoffentlich auch wird.

Kreative und transparente Kommunikation kann und muss die Dynamik erzeugen, den gesellschaftlichen und ökologischen Wandel zu bringen – und sie kann sich ganz nebenbei selbst regenerieren und repositionieren. Kaum eine andere Dienstleistungsbranche hat in den letzten 15 Jahren so dramatisch an Glanz, Respekt und Begehrlichkeit verloren, wie die Werbeindustrie. Es ist an der Zeit endlich was Gutes zu tun: für sich und die anderen.

Über den Autor

Goran Golik arbeitet als freier Creative Director, Vorstandsmitglied von Creativ Club Austria (CCA), Experte für Sustainable Brand Building & Communication, Vortragender an Universitäten, Fachhochschulen und an der Graphischen in Wien.